Konferenzraum der Beyond Initiative

Bevor auf unseren Straßen autonome Fahrzeuge fahren, stellt sich die beyond Initiative von Audi ethische Fragen. Die Mission: Künstliche Intelligenz so einzusetzen, dass sie die Gesellschaft nach vorne bringt – beim autonomen Fahren und darüber hinaus.

Die Zeitreise beginnt in den Kreativräumen der Technischen Entwicklung von Audi. Hier über den Dächern des Ingolstädter Hauptquartiers treffen an diesem Donnerstagmorgen Philosophen auf Software-Ingenieure und Psychologen auf Juristen. Zwischen orangefarbenen Sofas und grünen Hockern formulieren die Vordenker Hypothesen, clustern Post-Its am Flipchart und bearbeiten Fragebögen. Vor ihrem inneren Auge fahren die Autos rund um den Globus schon autonom.

Post-It Zettel

Ein Fokusthema der Initiative: automatisiertes und autonomes Fahren. Welche ethischen Bedenken kann es hierbei geben?

Und sie beschäftigt die Frage, welche sozialen Rahmenbedingungen es dafür braucht. „Die zentrale Hürde ist gesellschaftliche Akzeptanz“, sagt Kate Darling, Roboterethikerin vom MIT Media Lab in Boston. „Denn die Menschen werden es deutlich emotionaler empfinden, wenn ein Unfall von einer Maschine statt von einem Menschen verursacht wird.“

Die gesellschaftlichen Auswirkungen künstlicher Intelligenz

Kate Darling ist eine von zwölf internationalen Wissenschaftlern, die an dem Workshop zu ethischen, rechtlichen und gesellschaftlichen Aspekten beim autonomen Fahren teilnehmen. Sie diskutieren mit sieben Spezialisten von Audi, darunter Software-Ingenieure, Juristen und Politikexperten. Das Zusammentreffen der Experten ist Teil der beyond Initiative, die von Audi ins Leben gerufen wurde und sich mit den gesellschaftlichen Auswirkungen von Künstlicher Intelligenz (KI) beschäftigt.

Hintergrund ist die Überzeugung, dass KI unsere Mobilität, unsere Arbeitswelt und unser Leben substanziell verbessern kann. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft eng zusammenarbeiten. Seit zwei Jahren etabliert Audi deshalb dieses interdisziplinäre Netzwerk mit internationalen Experten. Ein Fokusthema der Initiative ist natürlich das automatisierte und autonome Fahren.

KI ist die zentrale Schlüsseltechnologie

KI gilt hierfür als zentrale Schlüsseltechnologie. Sie unterstützt das Auto dabei, seine Umwelt wahrzunehmen, zu interpretieren und Entscheidungen abzuleiten. „Das automatisierte und autonome Fahren wird für mehr Komfort sorgen“, sagt Miklos Kiss, Leiter Vorentwicklung automatisiertes Fahren bei Audi und Mitglied im beyond Netzwerk. „Und es wird den Verkehr sicherer machen.“ Heute werden neunzig Prozent aller Unfälle durch menschliches Versagen verursacht. KI im Fahrzeug verspricht, die Unfallzahlen im Straßenverkehr signifikant zu verringern.

Dennoch bestehen ethische Bedenken. Das bekannteste Beispiel ist eine gefährliche Verkehrssituation, in der ein Unfall unvermeidbar ist – die sogenannte Dilemma-Situation. Ein autonom fahrendes Auto hat in diesem Beispiel drei Möglichkeiten: Entweder es lenkt nach links und erfasst Person A. Oder es lenkt nach rechts und trifft Person B. Fährt es stattdessen geradeaus weiter, verletzt es die Fahrzeuginsassen. Beim beyond Workshop diskutieren die Audi-Experten diese Problematik unter anderem mit Iyad Rahwan vom MIT Media Lab in Boston.

beyond diskutiert die Dilemma-Situation

Iyad Rahwan hat mit zwei Kollegen das wissenschaftliche Onlinetool Moral Machine entworfen. Dem Nutzer werden darin verschiedene Variationen der Dilemma-Situation gezeigt und er entscheidet per Mausklick, was das autonom fahrende Auto tun soll. In der Realität hätte der Mensch in einer solchen Situation keine Zeit für eine durchdachte Entscheidung. Er handelt im Affekt. Von der Maschine erwarten wir allerdings, dass sie die richtige Entscheidung trifft.

Beyond Workshop

Software-Ingenieure treffen Juristen und Psychologen: Die beyond Initiative setzt auf interdisziplinären Dialog. Von links: Azim Shariff (University of California, Irvine), Kate Darling (MIT Media Lab), Florian Netter (Audi Electronics Venture GmbH).

„Es ist sehr unwahrscheinlich, dass die Situation mit der Entscheidung zwischen Person A, Person B oder dem eigenen Leben in genau dieser Form eintritt“, sagt Miklos Kiss von Audi. Und natürlich tun die Automobilhersteller alles, um eine solche Situation zu vermeiden. „Gleichwohl ist die Dilemma-Debatte ein guter Denkanstoß, um über weitere risikoreiche Situationen nachzudenken.“

Etwa wenn nicht komplett klar ist, was passieren wird, wenn das Auto in eine Richtung lenkt. Ist es ethisch vertretbar, sich für das Unbekannte zu entscheiden? Darauf wird die Gesellschaft Antworten finden müssen.

Antworten finden muss die Gesellschaft

Im rechtlichen Kontext steht in der Öffentlichkeit vor allem die Frage im Fokus, wer bei möglichen Unfällen haftet. Zurzeit setzt das Recht immer am Menschen an, es sucht sozusagen den Menschen hinter der Maschine. Mit Blick auf immer intelligenter werdende Maschinen stellt sich langfristig allerdings die Frage, ob es vielleicht irgendwann eine sogenannte „e-Person“ geben muss. Das bedeutet, dass einer Sache eine Rechtspersönlichkeit zugesprochen wird, die selbstständig haften soll.

Diskussionsrunde bei der Beyond Initiative.

„Soziale Akzeptanz und gesetzliche Rahmenbedingungen, das sind die zwei Kräfte, die – wenn sie gegeben sind – fahrerlose Autos zu einer echten Zukunftschance machen. Mit all den Vorteilen, die damit einhergehen“, sagt Luciano Floridi, Informationsethiker von der Oxford Universität und Teilnehmer des beyond Workshops.

Doch das ist längst nicht alles: Zulassung, Datenschutz, Straßenverkehrsrecht, Strafrecht, Verfassungsrecht – das autonome Fahren berührt verschiedene Rechtsgebiete. „Soziale Akzeptanz und gesetzliche Rahmenbedingungen, das sind die zwei Kräfte, die – wenn sie gegeben sind – fahrerlose Autos zu einer echten Zukunftschance machen. Mit all den Vorteilen, die damit einhergehen“, sagt Luciano Floridi, Informationsethiker von der Universität Oxford und Teilnehmer des beyond Workshops.

Das Ziel der beyond  Initiative

Die Herausforderungen von morgen schon heute zu antizipieren – das ist das Ziel der beyond Initiative. Neben dem autonomen Fahren nimmt sie noch ein weiteres Themenfeld in den Blick, das sich durch Künstliche Intelligenz substanziell verändern wird: unsere Arbeitswelt. „Wir müssen die Öffentlichkeit in diesem Bereich sensibilisieren“, sagt Martin Ford, Autor des Bestsellers Aufstieg der Roboter. „Sie muss verstehen, was hier passiert.“ Denn KI wird sich auf die gesamte Wertschöpfungskette in Unternehmen und damit auch auf die Mitarbeiter auswirken.

Zeichnung bei dem beyond Workshop

Den gesellschaftlichen Rahmen gestalten: Die beyond Initiative will sicherstellen, dass künstliche Intelligenz zum Wohl der Gesellschaft eingesetzt wird.

Bei Audi ist der Wandel bereits spürbar. In der Produktion arbeiten Menschen zunehmend Hand in Hand mit Robotern. In den Büros helfen intelligente Algorithmen bei der Analyse großer Datenmengen. „Unser Ziel ist eine intelligente, vernetzte Produktion, in der Mensch und Maschine perfekt miteinander arbeiten“, sagt Tarek Mashhour, Leiter Produktionsstrategie bei Audi. „Dabei steht in der Smart Factory für uns der Mensch im Mittelpunkt.“

„Unser Ziel ist eine intelligente, vernetzte Produktion – mit dem Menschen im Mittelpunkt.“
Tarek Mashhour, Leiter Produktionsstrategie bei Audi

Ein Beispiel für die Smart Factory ist die sogenannte Modulare Montage. Hier wird es kein Fließband mehr geben, stattdessen werden die Karosserien auf selbstfahrenden Transportsystemen von Arbeitsstation zu Arbeitsstation gebracht. Ein selbstlernender Algorithmus sorgt dafür, dass alle Prozesse effizient und an die Mitarbeiter angepasst ablaufen.

Akzeptanz schaffen. Know-how aufbauen. Partnerschaften initiieren: Das ist das Ziel der beyond Initiative. „Es ist sehr wichtig, frühzeitig Gespräche zu führen und zu versuchen, einige der Probleme zu lösen, bevor sie aufkommen“, meint Kate Darling vom MIT Media Lab. Die beyond Initiative ist überzeugt: Wie KI unser Leben verändert, hängt von uns allen ab – und davon, wie wir die Potenziale der neuen Technologien nutzen.

Weitere Geschichten rund um Audi finden Sie auch im Audi Dialoge-Magazin.

Nach dem Absenden Ihres Kommentars wird dieser durch die Redaktion überprüft und freigegeben.

Wenn Sie zum ersten Mal im Blog kommentieren, müssen Sie einmalig Ihre Identität bestätigen. Dazu erhalten Sie eine E-Mail mit einem personalisierten Link, den Sie für die Verifizierung Ihrer Angaben bitte aufrufen. Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht oder an Dritte weitergegeben.

Quelle: Audi Blog

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert