Ein ursprüngliches Büro bei Audi, aufgenommen 1956. Rustikale Holztische und natürliche keine Computer prägen das Bild.

1956: Der harte Holzstuhl war ebenso allgegenwärtig wie die Aktenkiste.

Vom Post-it-Kunstwerk bis zur großflächigen Wandarbeit aus Schreibtisch-Utensilien – noch bis September war im Museum für Konkrete Kunst in Ingolstadt die Ausstellung „Out of Office. Büro-Kunst oder das Büro im Museum“ zu sehen. Künstler zeigen Werke, die das Büro als Spiegelbild der Gesellschaft darstellen und die Veränderung derer am Beispiel des Arbeitsplatzes.

Wie haben sich Gesellschaft und Büro oder Büro und Gesellschaft verändert? Audi-Historiker Thomas Erdmann hat sein Archiv durchforstet und längst vergessene Büroriten am Beispiel Audi ausgegraben.

Die Anfänge bei Audi

Drehen wir die Uhr zurück – in die Nachkriegszeit. Ende der 1940er und Anfang der 1950er Jahre. In Ingolstadt ist die Bürosituation nach dem Zweiten Weltkrieg ziemlich beengt. Ehemalige Kasernengebäude dienen damals als Produktions- und Büroräume. Die Audi-Mitarbeiter müssen in den frühen Nachkriegsjahren zusammenrücken. „Aus Mangel an Materialien“, erzählt Audi-Historiker Thomas Erdmann, „hängte ein Mitarbeiter bei sich zu Hause die Tür aus und nahm sie als Zeichenbrett mit in die Arbeit.“ Erfinderisch musste man sein in der Nachkriegszeit.

Doch schon im Laufe der 50er Jahre entspannt sich die Bürosituation: In der Ingolstädter Innenstadt entsteht der erste Neubau-Abschnitt in der Nachkriegsgeschichte und 1958 wird schließlich der Grundstein für das Autowerk vor den Toren der Stadt gelegt. In der Ettingerstraße, die auch heute noch die Firmenadresse des Unternehmens darstellt, während sich das Werk über einen großen Teil von Ingolstadt ausdehnt.

Die rasante Ausdehnung des Werks manifestiert sich auch in der Mitarbeiterstatistik: Waren es 1958 noch 3.700 Beschäftige, so arbeiteten vier Jahre später bereits 10.000 Menschen bei Audi in Ingolstadt. Stand heute sind es rund 44.000 Angestellte am Standort mit einer Größe von 2,7 Millionen Quadratmetern – das entspricht einer Fläche von mehr als 300 Fußballfeldern.

Das Büro als Lebensraum: von dunklen Stuben zu modernen Arbeitsplätzen

Starke Veränderungen zeigten sich im Laufe der Jahrzehnte bei Audi auch in den Büroräumen. In den 50er und 60er Jahren waren sie eher zweckmäßig und nüchtern gehalten: ein einfacher Holzstuhl, ein Holzschreibtisch und Regale. „Der Muff war in den Büros, es roch nach Bohnerwachs“, erinnert sich Erdmann, der seit 1987 bei Audi arbeitet. „Damals wurde auch gern und stark geraucht.“
Erst in den 70er Jahren hielten Farben Einzug in die Büros: Gelb, Grün und Braun vor allem. Das Farbklima veränderte die Atmosphäre in den Büros, es wurde lockerer. Die 70er waren somit auch in puncto Bürokultur eine revolutionäre Epoche.

Hosen für Frauen oder der sich lockernde Anzug-Zwang: Die Büro-Bewohner konnten sich bunter und individueller austoben. Auch das Büro selbst wurde optisch immer wohnlicher, zum Beispiel mit Grünpflanzen, Bildern oder Deko-Elementen auf dem eigenen Schreibtisch.

Bürokultur im Wandel.

1977: In den 70ern kamen Tischinseln und die Begrünung der Büros in Mode. Auch der Kleidungsstil lockerte sich.

In diesem Jahrzehnt rückte generell das Wohl des Mitarbeiters immer stärker in den Fokus. Audi gestaltete Cafeterien und baute die Kantinen aus, schuf Sitzecken, Aufenthaltsbereiche und legte Grünflächen an. Die Angestellten sollten sich wohl fühlen, die Kommunikation unter der Belegschaft wurde gefördert. „Und die ersten Bürodrehstühle mit Stoffbezügen erhöhten den Komfort der Mitarbeiter ungemein“, erzählt Erdmann.

Die ersten Großraumbüros in Deutschland entstanden ebenfalls in den 70ern. Audi baute Ende der 80er Jahre im großen Stile um: Aus langen Gängen mit kleinen Büros wurden größere Räume, Glastüren brachten Licht und Transparenz in die Arbeit und an die Schreibtische.

„Darf ich bitten, Fräulein?“ Von Etikette und Hierarchie

Doch nicht nur optisch veränderte sich das Unternehmen stark von der Nachkriegszeit bis in die späten 70er Jahre, auch die Gepflogenheiten in den Büros wandelten sich. Die 50er und 60er Jahre in Deutschland waren von klassischen Hierarchien geprägt. Der Chef hatte das Sagen. Punkt. Das Duzen der Chefs war unüblich – so auch bei Audi. Und auch die Belegschaft untereinander duzte sich nur außerhalb des Büros.

Die Arbeitsaufträge wurden meist über die Sekretärin oder Abteilungsleiter ausgeführt, eine direkte, beziehungsweise persönliche Ansprache fand kaum statt. Interne Besprechungen über alle Ebenen hinweg gab es nicht. „Eine Meeting-Kultur, wie wir sie heute kennen, suchen wir bis zu den 70er Jahren vergeblich“, erklärt Erdmann. Auch die Räumlichkeiten hierfür waren nicht vorhanden.
Die Arbeitszeiten waren vergleichsweise starr. „Viele Chefs standen um 8 Uhr morgens im Büro und wer noch nicht da war, hat eine Rüge bekommen“, erzählt Erdmann. „Gleitzeit gab es bei Audi ab den 70ern, aber nur in den Führungsebenen. “

In puncto Hierarchie und interne Kommunikation durchlebten deutsche Unternehmen die größten Veränderungen in den 70er Jahren. Denn die Studentenrevolten und das Lebensgefühl der 68er zeigten auch im Büro ihre Wirkung. Die Meinung der Chefs wurde in Frage gestellt, Grenzen überschritten, Tabus gebrochen. Und die Stellung der Frau verbessert.

Bei Audi war die Gleichstellung der Frau Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre ein großes Thema. In Kampagnen wurden Frauen für den operativen Bereich gesucht und aktiv geworben. Für viele Bereiche – wie Fertigung, Planung und Technische Entwicklung.

70er Jahre als revolutionäre Epoche in der Bürokultur

Die Weichen unserer heutigen Bürokultur wurden zu großen Teilen in den 70er Jahren gestellt. Vor allem in puncto Architektur, Kommunikation und Hierarchie waren diese Jahre prägend. Im zweiten Teil lesen Sie über Büromaterialien, den digitalen Wandel ab den 80er Jahren und ob wir das Büro heute überhaupt noch brauchen.

Teil 2 dieser Reihe lesen Sie am 04. September im Audi Blog. 

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Quelle: Audi Blog

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