An meinen Fingern sitzen Sensoren, auf meinem Kopf eine Haube. 32 Elektroden werden gleich meine Gehirnströme messen. 32 Mal drücken Kathrin Pollmann, User Experience Researcher, und Mathias Vukelic, Neurowissenschaftler, ein kühles Gel zwischen die Elektroden und meine Kopfhaut – zur besseren Leitfähigkeit. Ein Gänsehautmoment. Ich befinde mich kurz vor einem Experiment, einem Experiment zur Zukunft des Autofahrens.
Gleich beim Eintreten war mir die futuristische Kapsel in der Mitte des abgedunkelten Raumes aufgefallen: ein achteckiges schwarzes Gebilde mit halbhohen schrägen Glasscheiben. Davor eine große Leinwand und vier Bildschirme. Der schwarze Ledersessel erinnerte mich an den Sitz eines Rennwagensimulators. Nun befinde ich mich in diesem nachgebauten Fahrzeuginnenraum und fühle mich sicher und entspannt.
Blaues Licht gegen Reizüberflutung
Von der engen Haube auf meinem Kopf und den kühlen Gelpunkten bekomme ich hier nicht mehr viel mit: Die Skyline auf der Leinwand vermittelt mir den Eindruck einer realen Fahrt durch die nächtliche Großstadt. Unterschiedliche Aufgaben fordern meine volle Konzentration. Erst muss ich Buchstaben, dann Töne wiedererkennen und sie auf einem Touchpad bestätigen. Über Hologramme bekomme ich Videoanrufe, SMS, Kaufangebote – mal mehr, mal weniger. Die Geräte der Wissenschaftler zeigen derweil an, wie mein Gehirn diesen „Cognitive Overload“ verarbeitet.
Achim Pross, Lichtforscher am IAO, bedient einen Regler. Die Lichtfarbe ändert sich von weiß zu blau. Auch werden bei manchen Aufgaben die Scheiben abgedunkelt, Umgebungsgeräusche reduziert. Alles konzentrationsfördernd, wie ich später erfahre. Nach einer Weile drücken meine Finger ganz automatisch auf das Touchpad. Sie haben sich die Zuordnung der Tasten längst gemerkt. „Man erkennt, dass du im Alltag an den Umgang mit mehreren Medien gewöhnt bist“, sagt Mathias Vukelic. Dann wird das Licht wieder weißer und heller, und die Wissenschaftler befreien mich von der Haube und den Sensoren.
Das Auto als perfekter Arbeitsplatz
Was ich gerade – jenseits der offiziellen Studie – am eigenen Leib erfahren durfte, ist ein dreistündiges Experiment zur Nutzung technischer Geräte im Innenraum eines autonom fahrenden Autos. Gemeinsam mit dem Stuttgarter Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO möchte Audi herausfinden, welche Faktoren konzentrationsfördernd wirken und welche Unterstützung das Auto dem Kunden in der Zukunft geben muss. Kurz: Wie wird das Auto zum perfekten Büro?
30 Probanden lösten – unter wechselnden Lichtbedingungen – die visuellen und auditiven Aufgaben. Um wissenschaftlich fundierte Daten zu erhalten, wurden mittels Elektroenzephalografie (EEG) die individuellen Hirnsignale gemessen sowie die Hautleitfähigkeit ermittelt. Anschließend gaben die Probanden in einem Fragebogen über ihre Eindrücke Auskunft.
Basierend auf den Ergebnissen dieses Experiments möchten die Spezialisten bei Audi Schlussfolgerungen für die Konzeption eines zukünftigen Premium-Interieurs ziehen, das auf die Bedürfnisse der Passagiere individuell eingeht. Dazu gehört auch, dass jede Alltagssituation andere Anforderungen stellt. In einer vorausgegangenen Studie hatte die Audi-Trendkommunikation vor allem drei Zeitmodi unterschieden, die den Alltag grundlegend bestimmen – von der „Productive Time“, in der typischerweise gearbeitet wird, bis zur „Down Time“, der persönlichen Zeit der Entspannung.
Die 25. Stunde als Zeitgewinn für den Fahrgast
In dem nun durchgeführten Experiment geht es speziell um die „Productive Time“, in der etwa ein Meeting per Skype abgehalten oder eine Präsentation für den Chef ausgearbeitet wird. Denn obwohl laut einer Studie von Intel und Strategy Analytics in Zukunft durch Werbung im Fahrzeuginnenraum sieben Billionen Dollar verdient werden könnten: Wenn es die individuelle Zeitnutzung des Fahrgasts stört, sollen Werbung, SMS oder Anrufe jederzeit außen vor bleiben können.
Ziel von Audi ist es, seinen Kunden die volle Kontrolle über ihre Zeit zu geben. Unter dem Motto „25. Stunde“ soll das Auto zu einer intelligenten Membran zwischen den Nutzern, der Stadt und anderen Verkehrsteilnehmern werden. Und diese Membran soll den persönlichen Freiraum des Fahrgasts jederzeit bewahren.
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Quelle: Audi Blog