„Mit der Abdeckung müssen wir etwas vorsichtig sein“, mahnt Ewald Pfurtscheller aus der Werkstatt des Porsche Museums, „sie ist ein wenig filigran.“ Er meint den GFK-Deckel mit den zwei charakteristischen Höckern, der das knappe Speedster-Verdeck versteckt.

Der Entriegelungshebel ist ein dürres Teil, sein angehängter Bowdenzug führt zu zwei kleinen Haken, die in die große rote Abdeckung eingreifen und sie vor den reißenden Kräften des Fahrwinds schützt. Das Problem: Es passt nicht so richtig ineinander. Man muss ein wenig vermitteln, ein zweiter Mann ist hilfreich. Hier ein bisschen drücken, da etwas schieben, erst dann ist der Mechanismus davon zu überzeugen seiner Arbeit nachzugehen.

Der Rest geht schnell: die Verdeckknöpfe anheben und aushaken, die Heckscheibe auf das Dach legen, die beiden Haken an der Windschutzscheibe entriegeln, das Verdeck zurückklappen und dann wieder den großen roten Deckel schließen.

Jetzt einfach offen lassen. Ein Speedster ist schließlich ein Speedster.




Mit gerade 26.000 Kilometer auf dem Tacho wirkt der rote 911 Carrera 3.2 Speedster Baujahr 1989 fast zu schade, um auf große Reise zu gehen. Doch er hat gut 1.200 Kilometer vor sich – auf dem Weg zum Goodwood Festival of Speed, das wir kurzerhand zum #festivalofspeedster erklärt haben, um die Frage zu klären, was die Faszination Speedster überhaupt ausmacht.




Die erste Antwort überrascht: Der Carrera 3.2 Speedster ist wahnsinnig komfortabel. Zumindest in Sachen Sitz. Die aus dem 911 Turbo entliehenen Stühle mit Stoff Multikolor grau sind praktisch unbenutzt. Sie empfangen den Fahrer zwar eng, aber dafür auch unglaublich sanft gepolstert und mit einer Haptik, die man in Zeiten allgegenwärtiger Ledersitze völlig vergessen hat.




Zweitens: es ist gar nicht unbedingt windiger als in einem Cabriolet. Die flache Speedster-Scheibe steht in einem geschickten Winkel und sorgt zusammen mit den knappen Seitenscheiben für eine gute Umströmung der Köpfe. Klar, die Frisur ist hinüber – aber man sitzt nicht im Auge des Orkans.




Zumindest solange man den 3.2er Boxer noch nicht richtig angewärmt hat. Passiert der Öltemperaturzeiger die Thermostat-Marke auf 9 Uhr darf auch der Sechszylinder endlich zeigen, was er kann – und das ist viel. Mit tüchtig Druck marschieren die 231 PS ohne Verschlucken aus dem Drehzahlkeller, um bei 5.000 Umdrehungen noch einmal ein paar Kohlen nachzulegen. Der heisere Schrei, wenn der Carrera bei 7.000 nach dem nächsten Gang ruft, ist atemberaubend.




Mittlerweile sind wir in der Eifel angekommen, haben den Nürburgring links liegen gelassen und sind stattdessen über die wunderbar in die idyllische Szenerie gebetteten Landstraßen gecarved. Hier ist der Speedster in seinem Element. Das überarbeitete Fahrwerk und die breite Spur sind in Kombination mit modernen Reifen auch heute noch eine Ansage. Überraschend auch die Contenance, die die indischrote Flunder selbst bei schlechten Belägen wahrt – ganz ohne adaptive Fahrwerksregelung oder sonstige digitale Trickserei.




Es ist das Echte, das Pure, das Simple, das den Reiz des Speedster ausmacht. Er vertraut auf weniger und gibt doch mehr. Selbst als es auf der belgischen Autobahn in Strömen zu regnen beginnt: Keine Panik! Der Luftstrom über der Scheibe hält das Wasser sicher von den Insassen fern – solange man nicht unter 120 km/h fährt. Was ja sowieso nicht vorkommen sollte. Schließlich fährt man Speedster und nicht Slowster.




Nach der Fährfahrt, auf der wir von Deck Gelegenheit hatten uns von der Vollkommenheit der Werksturbolook-Formen zu überzeugen, sind es noch gut 130 Meilen bis ans Ziel. Die Autobahn kommt nicht in Frage, stattdessen geht es über enge, geschwungene Landstraßen. Vorbei an Füchsen, Rotwild und anderen Neugierigen, die von der Stimme des Luftboxers angelockt werden, tanzt der Speedster durch die Kehren, dass man sich wünscht man käme nie ans Ziel.




Fahren um des Fahrens Willen. Aus purer Freude. Ungefiltert. Roh. Das ist es, was den Reiz der Speedster ausmacht. Und an die Fummelei mit dem Verdeck gewöhnt man sich schnell.


Goodwood Festival of Speed

Das Goodwood Festival of Speed findet dieses Jahr vom 12. bis 15. Juli statt. Alles konzentriert sich dabei auf das berüchtigte 1,16 Meilen lange Bergrennen, das im Mittelpunkt des Events steht. Das Festival ist dafür bekannt, die seltensten und aufregendsten Serien- und Rennwagen sowie Motorräder der Welt anzuziehen – und auch die 25. Auflage wird da keine Ausnahme bilden.

Porsche nimmt beim diesjährigen Goodwood Festival of Speed eine besondere Rolle ein. Anlass ist das Jubiläumsjahr „70 Jahre Porsche Sportwagen“.




Info

Text: Fabian Mechtel
Fotos: Tobias Heil 



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Quelle: Porsche Newsroom

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