Rennfahrer haben starke Nerven und sind von Natur aus zuversichtliche Typen. Die Nerven und die Zuversicht der Werksfahrer von Porsche wurden allerdings 1969 auf arge Proben gestellt. Da war der 917: mit dem neu entwickelten Zwölfzylindermotor und knapp 600 PS so stark wie kein Porsche zuvor. Mit einer windschlüpfigen Karosserie auch schneller, aber mangels Abtrieb kaum zu bändigen. Daneben der 908/03, der Held unserer Geschichte: ein kleiner, wieseliger Prototyp, den der Projektleiter Manfred Bantle nach dem Muster seines 909 Bergwagen von 1968 entworfen hatte. Der Clou des „Strich-Drei“: Wie beim 909 lag das Differenzial hinter dem Getriebe. Dadurch wanderten die Schaltbox, der Motor und der Fahrersitz nach vorn. 45:55 waren die Achslasten zwischen vorn und hinten verteilt – weit besser als bei den 908 des Vorjahres oder beim 917. Und was da verteilt war, war herzlich wenig, denn selbstredend wurde nach dem Dictum des Entwicklungschefs Ferdinand Piëch jedes Gramm gnadenlos verfolgt. Der Plan für die Titelverteidigung in der Sportwagen-Weltmeisterschaft 1970 lautete: Angriff mit der Doppelspitze. Der 917 für die schnellen Kurse, der 908/03 für die winkligen WM-Läufe: die Targa Florio auf Sizilien und das 1.000-Kilometer-Rennen auf dem Nürburgring.

Aber: „Die Rennfahrer schimpften. Der Brian Redman, der Jo Siffert, später auch der Richard Attwood. Man säß’ im 908/03 zu weit vorne, man hätte kein Gefühl für das Auto“, erinnert sich Manfred Bantle im August 2016 an das späte Jahr 1969. Damals schnallten sich die Werksfahrer zum ersten Mal im 908/03 fest und drehten ihre Runden. Schnell hatte der Rennprototyp auch bei den Monteuren seinen Namen: der VW-Bus, weil der Fahrer weit vorn und ziemlich aufrecht sitzt. Tatsächlich ruht der Fahrerhintern knapp hinter der Vorderachse, die Pedale und Füße ganz weit vorn. Der Bug des 908/03 fällt steil ab, vor den Vorderrädern gibt es ganze 30 Zentimeter Überhang. Die Sicht ist so, als wär da vorn überhaupt kein Auto. „Aber dann“, so Bantle, „fuhren sie gute Zeiten. Und wie immer bei Rennfahrern: Wenn sie auf die Stoppuhr gucken, dann werden sie nachdenklich. Und das Thema Sitzposition war weg.“

Den extremen Leichtbau der Bergwagen auf einen Langstreckenrennwagen zu übertragen

Das Thema Leichtbau hingegen spielte Porsche so ausdauernd wie virtuos. Bantle: „Auch in dieser Beziehung machte Ferdinand Piëch keine Kompromisse. Sein Standardspruch lautete: „zu schwer“. Unsere Aufgabe war, den extremen Leichtbau der Bergwagen, die ja am Schluss unter 400 Kilo wogen, auf einen Langstreckenrennwagen zu übertragen. Der musste aber nicht 20 Kilometer Bergstrecke halten, sondern 1.000 Kilometer Nordschleife. Es war eine Fleißarbeit mit System. Wir ersetzten Stahl durch Titan, Alu, Magnesium. Wir verringerten die Materialstärken, wo immer wir das konnten. Der Aluminium-Gitterrohrrahmen wog knapp über 30 Kilo, die Karosserie zwölf. Den Stahlanteil am Chassis – lässt man die Bremsscheiben mal außen vor – brachten wir auf 2,9 Prozent runter. Wir drehten sogar die Schrauben aus den Rücklichtern und klebten die Gläser auf.“ Der 908/03 wog 1970 rennfertig 545 Kilo, ein Jahr später packten ein massiverer Überrollbügel und größere Hinterräder rund 20 Kilo drauf.

Zwei Kollegen von Bantle passten dem 908/03 eine Außenhaut an, die wie aus einem Guss wirkt und an offene Rennwagen wie die 908/02 Flunder oder den 917 CanAm Spyder erinnert. Peter Falk als damaliger Leiter der Versuchs- und Rennabteilung: „Mein Mitarbeiter Hermann Burst beschäftigte sich Ende 1969 viel mit Windkanalversuchen am 917 CanAm Spyder und war an der Entwicklung des Strich-Drei beteiligt. Gezeichnet hat die endgültige Karosserieform Eugen Kolb in der Karosserie-Konstruktion.“ Was da herauskam, muss Ferdinand Piëch glücklich gemacht haben, denn der 908/03 kam völlig ohne Spoiler aus. Bantle: „Piëch und Spoiler war ein heikles Thema. Er hat sie immer zwei Zentimeter tiefer setzen lassen. Die Versuchsleute und die Rennfahrer haben heimlich wieder ein wenig aufgestockt. Burst hat aber am 908/03 tatsächlich ohne Spoiler guten Abtrieb erreicht. Die senkrecht abfallende Frontpartie mit dem kleinen Flap funktionierte sehr gut. Es kam ja auch darauf an, dass sich unter dem Auto kein Luftpolster bildete. Die Radhäuser vorne waren entscheidend; sie mussten genug Luft für die Bremsen durchlassen, sollten aber den Auftrieb möglichst wenig erhöhen. Ich glaube, wir hatten vorn nur ganz geringen oder gar keinen Auftrieb.“ Erst 1971, also im zweiten Rennjahr des 908/03, wuchsen der Karosserie Flügel. Besser gesagt: Haifischflossen auf dem Heck, die den Luftwiderstand erheblich verringerten und – so wusste Werksfahrer Vic Elford zu berichten – sogar auf kurzen Geraden 200 Touren mehr brachten.

Motor war auf Leichtgewicht getrimmt

Vortrieb kam reichlich und zuverlässig vom Achtzylinder- Boxer Typ 908, der schon im Herbst 1967 erstmals auf dem Prüfstand lief. Für die ab 1968 ausgeschriebene Dreiliter-Prototypenklasse entwickelt, lieferte der luftgekühlte Zweiventiler aus 2.997 Kubik für den Anfang um die 340 Pferdestärken, im 908/03 waren es später bis 370 PS. Auch der Motor war auf Leichtgewicht getrimmt: Titanpleuel, Aluzylinder und -zylinderköpfe, Magnesiumdeckel und ab 1969 ein Kurbelgehäuse aus einer Magnesiumlegierung trugen zum geringen Gewicht von rund 180 Kilo bei. Anfangs machte der Treibsatz wegen starker Vibrationen Probleme und hieß deshalb in der Schrauberzunft der „Schüttler“. Eine umkonstruierte Kurbelwelle brachte Abhilfe. Insider erkennen übrigens den Schüttler auch im Stillstand sofort am Mittelscheitel: Von der Einspritzpumpe laufen die Spritleitungen schön geordnet nach links und rechts. Spätere und laufruhigere Motoren sind bei den Porsche-Leuten die „Krausköpfe“, bei denen die Leitungen kreuz und quer verlaufen. Es gab frühe Prüfstandsversuche mit wassergekühlten Zylinderköpfen und Vierventiltechnik, die aber einstweilen noch nicht zum Renneinsatz führten. Die Fahrer schalteten ein neu entwickeltes Fünfganggetriebe. Die Bremsscheiben in den Rädern waren gelocht – damals ein Novum, das Gewicht sparte, Wärme schneller abführte und im Regen für ein besseres Ansprechverhalten sorgte.

Der Porsche 908/03 von 1970 wirkt wie aus einem Guss

Manfred Bantle erinnert sich an die Entwicklung: „Der 908/03 war sehr schnell auf einem sehr, sehr guten Niveau mit seinen guten Fahreigenschaften und deshalb viel schneller einsatzbereit als damals der 917. Der 917 hatte uns mit seiner Riesenleistung, den unheimlich hohen Geschwindigkeiten und den entsprechenden Aerodynamikproblemen sehr beschäftigt.“

Targa Florio und 1.000-Kilometer-Rennen auf dem Nürburgring

Wie geplant, setzte das Werk den 908/03 nur bei der Targa Florio und beim 1.000-Kilometer-Rennen auf dem Nürburgring ein. Das Werk? In den Nennlisten steht 1970: „JW Automotive Engineering“ (JWA) und „Porsche Salzburg Konstruktionen“, 1971 JWA und »Martini Racing«. Den Hintergrund erklärt der damalige Rennleiter Peter Falk: „Offiziell ging es Piëch darum, bei uns Kapazität für die Entwicklung des 917 freizuhalten. Wir wussten aber aus Erfahrung, dass er uns gerne durch interne Konkurrenz auf den Hinterbeinen hielt. JWA war John Wyers Team, der uns 1969 in Le Mans geschlagen und erklärt hatte, wir könnten dort nicht gewinnen. Hinter „Porsche Salzburg“ verbarg sich allerdings nichts anderes als das Werksteam, und auch bei Martini Racing sah man 1971 sehr viele bekannte Gesichter aus Zuffenhausen. Mit dem 908/03 hatte es eine besondere Bewandtnis. Wyers Leute kannten das Auto kaum, weshalb es unsere Monteure und Ingenieure bei der Targa und am Ring auch unter der JWA-Nennung im Rennen betreuten. Ähnlich, aber nicht so intensiv halfen wir 1971 mit dem 908/03 bei Martini.“

Ende April 1970 rollte der Porsche-Konvoi aus Zuffenhausen los in Richtung Sizilien. Auf den Transportern standen fünf 908/03 und ein 917 Kurzheck. Bantle: „Piëch wollte die Probe aufs Exempel. Konnte der 917 mit seiner Riesenkraft die Wendigkeit des 03 wettmachen?“ Falk erinnert sich: „Für die Targa war er zu groß, stand quer, kriegte die Kraft nicht auf den Boden. Die 908/03 gingen da hoch wie die Wiesel, der 917 war im Vergleich wie ein Elefant. Es ging nicht mit dem Geschoss.“ Nach dem Training wurde der 917 auf der Rückfahrt zur Porsche-Basis beim Zusammenprall mit einem Lkw schwer beschädigt. Aber die Wahl der Fahrer war ohnehin klar: Wir nehmen den Strich-Drei.

Elf Runden auf dem 71,9 Kilometer langen Piccolo Circuito delle Madonie

Am 3. Mai 1970 ist es so weit, die 54. Targa Florio, der fünfte Lauf zur Weltmeisterschaft, ausgetragen auf abgesperrten Bergsträßchen im Norden Siziliens, startet. Elf Runden auf dem 71,9 Kilometer langen Piccolo Circuito delle Madonie sind zu fahren. Jede Runde gespickt mit 700 bis 900 Kurven (je nachdem, wer erzählt). 600 Meter Höhenunterschied und die sechs Kilometer lange Gerade unten am Meer sind unzweifelhaft überliefert. Jo Siffert/Brian Redman, Leo Kinnunen/Pedro Rodríguez und Richard Attwood/Björn Waldegård fahren die hellblau-orangefarbenen Porsche des JWA-Teams, Vic Elford/Hans Herrmann einen 908/03 in der rot-weißen Lackierung von Porsche Salzburg. Die schärfste Konkurrenz kommt vom Werks-Ferrari 512S mit Local Hero Nino Vaccarella und Ignazio Giunti, die mit ihrem 550-PS-Zwölfzylinder bei jeder Vorbeifahrt für eine Massenhysterie unter den Sizilianern sorgen. Siffert schafft die schnellste Trainingszeit vor Elford, 36 Sekunden langsamer ist Vaccarella Dritter. Sein Ferrari ist zwar 200 PS stärker als die kleinen Porsche, schleppt aber auch fast sechs Zentner mehr durchs Gebirge. Auch die Alfa Romeo T33/3 sehen stark aus: Ihre V8-4-Ventiler holen aus drei Liter Hubraum deutlich mehr PS als der 2-Ventiler-Porsche-Motor. Aber auch die Rennwagen aus Mailand sind im Vergleich zu den Porsche zu fett. Übergewicht: rund drei Zentner.

Am Sonntag um acht in der Frühe soll es losgehen, aber die Zeitnehmer stecken im Verkehrsstau, also: Start um 9.15 Uhr im 15-Sekunden-Abstand. Nach vier Runden führen Kinnunen/Rodríguez vor Siffert/Redman. Vaccarella/Giunti kämpfen und halten Platz drei. In Runde sechs taucht der Ferrari an der Spitze auf, aber die beiden italienischen Fahrer leiden unter einer fiebrigen Erkrankung und schwächeln. Auch Rodríguez ist nicht gesund; Kinnunen im selben Auto deutlich schneller. In Runde sieben entreißt Redman Vaccarella die Führung. Auf Platz drei dahinter nimmt Kinnunen sein Herz in die Hände und fährt in der letzten Runde einen Fabelrekord: 33:36.0 Minuten – 40 Sekunden schneller als der führende Siffert. Niemand wird hier jemals schneller fahren. Mit dieser Traumrunde jagt der Finne Vaccarella den zweiten Platz ab und macht den Doppelsieg für den 908/03 perfekt: Siffert/Redman vor Kinnunen/Rodríguez und Vaccarella/Giunti. Das Schicksal der zwei anderen Strich-Drei: Elford traf acht Kilometer nach dem Start einen Felsen, Attwood und Waldegård wurden Fünfte.

Porsche erneut Weltmeister

31. Mai 1970, der zweite Streich beim 1.000-Kilometer-Rennen auf dem Nürburgring wird ein entscheidender. Die Frage, ob 917 oder 908/03, war bereits geklärt. Bantle: „Siffert fuhr im Strich-Drei 7:48. Das war mit dem 917 nicht möglich.“ Wieder sind vier 908/03 am Start, zwei für JWA und zwei für Porsche Salzburg Konstruktionen. Siffert/Redman starten von der Pole-Position vor Rodríguez/Kinnunen, beides JWA-Autos. Elford/Kurt Ahrens und Herrmann/Attwood folgen auf den Startplätzen drei und vier. Der schnellste 512S mit Giunti/Arturo Merzario ist 18 Sekunden langsamer als Siffert und startet von Platz sechs. Schnell wird klar: Auch in der Eifel wächst kein Kraut gegen die 908/03. Giunti rollt in Runde drei mit einer defekten Einspritzung aus. Ahrens/Elford gewinnen vor Attwood/Herrmann, während Rodríguez seinen Porsche mit sinkendem Öldruck abstellen muss und Kinnunens Rennen nach einem Unfall endet. Mit dem Doppelsieg auf dem Nürburgring ist Porsche erneut Weltmeister. Der 908/03 hat alle Erwartungen erfüllt und verbringt den Winter in einer Halle.

Die 55. Targa Florio 1971. Das Straßenrennen ist heftig umstritten: zu gefährlich. Der Präsident des Automobilclubs von Palermo deutet in einer flammenden Rede die Möglichkeit an, Sizilien könnte sich vom Mutterland lossagen, um die Targa zu retten. Herbert Müller/Rodriguez und Redman/Siffert kamen für JWA nach Cefalù, Elford fuhr einen 908/03 mit Gérard Larrousse für Martini Racing. Alle 908/03 trugen jetzt Haifischflossen auf dem Heck mit einer kleinen Abrisskante. Der Überrollbügel wirkte vertrauenerweckender als das Röhrchen aus dem Vorjahr. Stärkste Gegner waren die Werks-Alfa Romeo. Den neuen 33/ TT/3 kommentierte die Presse so: „… am leichtesten beschreibt man das Auto als einen rot lackierten 908/03.“ Die italienischen Journalisten nannten den Alfa kurz den „tipo tedesco“.

Der 908/03 humpelt die 30 Kilometer bis zu den Boxen

Das Training lief für Porsche äußerst bescheiden: Reifenschäden, Unfälle. Nur Rodríguez und Larrousse schafften je eine vollständige Runde. 16. Mai, das Rennen ging wie geplant um neun Uhr los. Redmans Porsche rutschte nach 30 Kilometern der ersten Runde untersteuernd in eine Wand und ging sofort in Flammen auf. Der Engländer rettete sich mit Verbrennungen dritten Grades an Nacken und Schultern, die Hände und Arme zweiten Grades verbrannt, aus dem Wrack. Rennleiter Falk: „Zuerst dauerte es ewig, bis ein Krankenwagen kam. Der brachte ihn an die Boxen, da ließen sie den schwer verbrannten Redman mit einem Schock herumlaufen. Dann brachten sie ihn völlig eigenmächtig ins Krankenhaus nach Palermo. Das hat Piëch überhaupt nicht gefallen. Er ist mit Bott hingefahren, hat ihn aus dem Krankenhaus gezogen und sofort nach Stuttgart ins Hospital fliegen lassen. Piëch war immer sehr erpicht darauf, dass seine Leute in jeder Beziehung gut versorgt waren.“ Anfang November gewann Redman die 9 Stunden von Kyalami (auf Ferrari).

Auch der zweite JWA-Porsche kommt aus Runde eins nicht zurück: Rodríguez zerstört beim Beschleunigen aus dem Dörfchen Collesano heraus beide Räder auf der linken Seite. Aber: Larrousse führt! Es folgt ein Dreikampf über Hunderte von Kilometern: zwei Alfa Romeo gegen den einzigen Porsche. Elford fährt die schnellste Rennrunde. Nach sechs Umläufen oder 430 Kilometern führt Larrousse mit etwas über einer Minute. In Runde sieben dann das: ein Plattfuß hinten. Larrousse wechselt, fährt weiter … und wieder ein Reifenschaden. Der 908/03 humpelt die 30 Kilometer bis zu den Boxen, fährt wieder los. Aber die Hinterachse hat zu viel abbekommen, in Runde acht kommt das Aus. Sizilien feiert einen Doppelsieg für Alfa Romeo.

Porsche gegen Alfa

Der letzte Werkseinsatz des 908/03 war das 1.000-Kilometer-Rennen auf dem Nürburgring am 30. Mai 1971. Die Porsche-Monteure sahen ziemlich müde aus, denn sie hatten die Havaristen von Sizilien in Akkordschichten auf Vordermann gebracht, noch am Nürburgring wurde mit fliegenden Händen geschraubt. Im Rennen ging es gegen Alfa, die eine Woche hier getestet hatten, und gegen Ferrari. Besonders Ickx und Regazzoni im Ferrari 312 PB machten der Porsche-Truppe die Hölle heiß, lagen zeitweise in Führung, bis der 440 PS starke Formel-1-Motor aus Maranello bei Halbdistanz überhitzte. Die Alfa gingen trotz aller Testarbeit das irre Renntempo über die Distanz nicht mit. Elford und Larrousse gewannen auf dem 908/03 im silbernen Martini-Outfit vor Rodríguez und Siffert im hellblauen JWA-Porsche. Wobei Rodríguez seinen zweiten Platz so spektakulär wie grenzwertig gegen den heranstürmenden Helmut Marko im Martini-908/03 verteidigte. Fünf Runden vor Schluss baute der Mexikaner – mit einer Erkältung – deutlich ab, Marko witterte seine Chance und griff an. In der letzten Runde fuhr Marko unter dem Getriebe von Rodríguez, der sich unendlich breit machte und Platz zwei mit einer Zehntelsekunde vor dem Österreicher über die Ziellinie rettete. Ein Drama zum Schluss, und damit senkte sich der Vorhang für die Werks-908/03.

Die Kunst des Weglassens hatte Porsche jahrelang bei den Bergrennwagen geübt

Porsche baute insgesamt 13 Exemplare des 908/03. Im Oktober 1971 lief der erste für ein spanisches Privatteam, 1973 gelang dem Team um Reinhold Joest bei den 9 Stunden von Kyalami der erste Sieg mit einem privaten 908/03. 1975 tauchte der erste mit Turbomotor auf, 1979 gab es den 03 mit Doppelturbo, und erst 1983 endete die Rennkarriere dieses Wagens, der durch sein langes, aktives Leben ein ungeheures Potenzial verriet.

Der hellblaue 908/03 mit Startnummer 40

Und jetzt der Zeitsprung zum 22. Juli 2016, Kallenberg, ein Steinwurf vom Porsche-Werk I in Zuffenhausen entfernt. Termin mit dem Fotografen Markus Bolsinger und dem 908/03. Die riesige Halle mit den weißen Wänden und dem grauen Kachelboden beherbergt Hunderte historische Porsche. Lässig und leicht mit einer Hand zieht ein Mann den Wagenheber auf Rollen hinter sich her. Auf dem Heber: der hellblaue 908/03 mit Startnummer 40. Der ist noch viel kompakter, als er auf den Fotos aussieht, winzig. Die Karosserie erlaubt den Durchblick in alle Richtungen: Das Heck ist völlig offen, im offenen Cockpit liegt der Minimalsitz mit dem Vierpunktgurt, davor das Lenkrad und der Drehzahlmesser mit dem orangeroten Keil etwas über der 8.000. Rechts der Schaltstock mit dem Balsaholzknauf. Links im Cockpit der „Beifahrersitz“ – eine leichte, vom Reglement geforderte Schale. Ansonsten: Alurohrgeflecht. Durch die Entlüftungsschlitze vorn auf den Kotflügeln sind die filigran wirkenden, doppelten Dreieckslenker zu sehen.

Die Chassisnummer lautet 009. Klar: Targa Florio 1970, zweiter Platz für Rodriguez/Kinnunen und … Moment mal: Mit dem Auto fuhr Kinnunen diesen Rekord: 33:36. Wir stehen vor dem allerschnellsten Auto der Targa Florio. Und auf dem Nürburgring 1971 hat Marko mit der 009 den Rodríguez gejagt und mit einer Zehntelsekunde Platz zwei verpasst. Peter Falk ist nach Kallenberg gekommen. Der ehemalige Rennleiter hat sich die Chance nicht nehmen lassen, eines seiner liebsten Autos ganz nah zu sehen. Eigentlich will er zu dem Wagen nichts sagen, denn: „Das ist Manfred Bantles Auto.“ Aber Manfred Bantle ist im Urlaub. Dann sieht Falk: „Ah ja, der weiße Anlasser. Wir hatten immer Probleme mit zu heißen Anlassern. Ich regte an, sie weiß zu lackieren, damit sie von der Strahlungshitze nicht so beaufschlagt wurden. Das hat geklappt, seitdem waren unsere Anlasser weiß.“ Ja, und der Krauskopf, klar. „Wir hatten nicht die Leistung der Ferrari oder Alfa. Aber wir hatten kräftig Drehmoment untenraus.“ Sogar Türen hat der 908/03. „Die wurden nicht benutzt, mussten aber laut Reglement drin sein.“ Die Karosserie: Vorne rechts ist das Kartenbild „Kreuz“ aufgemalt. „Das war eine Idee unseres Chefdesigners Anatole Lapine. Vielleicht ein Zitat eines der ersten Porsche-Rennwagen. Die „Sascha“ starteten ja bei der Targa Florio in den frühen 20ern und hatten die Kartenfarben auf die Karosserie gemalt.“ Und die kleinen Pfeile vor den Radkästen? „Typisch Targa Florio, wo die Fahrer vielleicht selbst die Räder wechseln mussten. Sie zeigen den Fahrern, in welche Richtung die Radmutter geöffnet werden musste. Wir hatten ja links ein Rechtsgewinde und rechts ein Linksgewinde. Das konnte in der Hektik schon mal durcheinandergehen.“

908/03-009. Nur der Vollständigkeit halber: Sämtliche großen Siege bei der Targa und auf dem Ring holte Chassis 008. Gewonnen hat 009 die Targa Florio allerdings ebenfalls. Es war die Targa Florio Storica 1986, und im Cockpit saßen die üblichen Verdächtigen: Brian Redman und Hans Herrmann.

Technische Daten

Porsche 908/03

Motor: Einbaulage luftgekühlter Boxermotor Typ 908 Mitte längs

Zylinder: 8

Ventile: 2 je Zylinder, je zwei OHC, Kettenantrieb

Bohrung x Hub: 85 x 66 mm

Hubraum: 2.997 cm3

Kraftstoffversorgung: Bosch-Benzineinspritzung

Leistung: 370 PS bei 8.400/min

Drehmoment: 318,5 Nm bei 8.000/min

Verdichtung: 10,4:1

Getriebe: Antrieb 5-Gang, Sperrdifferenzial, Hinterrad

Chassis: Aluminium-Gitterrohrrahmen

Karosserie: schaumverstärkter Kunststoff

Fahrwerk: VA doppelte Dreieckslenker, Längszugstrebe, Schraubenfeder, Stoßdämpfer,Querstabilisator; HA doppelte Dreieckslenker, Längsschubstrebe, Schraubenfeder, Stoßdämpfer, Querstabilisator

Radstand: 2.300 mm

Spur: VA 1.542 mm, HA 1.564 mm

Räder: VA 9,5 x 13 oder 11 x 13; HA 14 x 13 oder 15 x 15 Zoll

Lenkung: Zahnstange

Bremsen: Scheiben, gelocht

L/B/H: 3.540/1.950/680 mm

Gewicht: 545 kg

Vmax: ca. 275 km/h

Bauzeit: 1969 bis 1971

Stückzahl: 13

Info

Text erstmalig erschienen im Magazin Porsche Klassik 11.

Text: Wilfried Müller // Fotos: Markus Bolsinger, Archiv Porsche Museum

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Quelle: Porsche Newsroom

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