Wie weit ist das Projekt Zuffenhausen 2020 gediehen?

Wir sind voll im Plan, aber lassen Sie mich etwas ausholen: Zuffenhausen ist traditionell vom Porsche 911 geprägt. Stück für Stück haben wir die 718-Baureihen in die Fertigung integriert, sodass wir heute wieder alle zweitürigen Sportwagen im Stammwerk bauen. Um der hohen Nachfrage gerecht zu werden, produzieren wir den 718 Cayman zum Teil – als sogenannte Überlaufproduktion – am VW-Standort Osnabrück. Das ist auch in 2018 der Fall, da wir in Zuffenhausen durch den Erfolg des 911 an der Kammlinie fahren. Als ich vor exakt zwei Jahren zu Porsche kam, haben wir rund 200 Sportwagen am Tag gebaut. Jetzt sind es 250 Fahrzeuge pro Tag. Das entspricht einer Steigerung von rund 25 Prozent.

Vor diesem Hintergrund und dem Zukunftsthema E-Mobilität haben wir uns in Zuffenhausen Gedanken gemacht, wie es für das Werk weitergeht. Was wäre, wenn der Stammsitz allein auf die zweitürigen Sportwagen ausgerichtet bleibt? Investieren wir viel Geld in neue Produktionslinien oder gehen wir auf die grüne Wiese? Das entscheidende Angebot machte der Betriebsrat: Nämlich die Mitarbeiter an der Zukunft zu beteiligen. Konkret zahlen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bis 2025 von jeder Tariferhöhung 0,25 Prozent in einen Topf ein. Dieser Zukunftsbeitrag wird zur Finanzierung der Investitionen im Zusammenhang mit dem Einstieg in die alternativen Antriebstechniken verwendet. 2026 werden die Gehälter schließlich so angepasst, als ob die anteilige Nichtweitergabe der Lohnsteigerungen nie erfolgt wäre. So war es möglich, über diese Beteiligung und weitere Produktivitätsthemen, den Mission E nach Zuffenhausen zu holen.

Eine Blaupause für ähnliche Projekte Ihrer Konzern-Kollegen?

Bei Porsche hat Zukunft Tradition. Das Projekt „Zuffenhausen 2020“ zeigt drei Grundgedanken: Das Wichtigste ist der Vertrag zur Standortsicherung, den wir alle fünf Jahre mit den Arbeitnehmervertretern verhandeln. Außerdem muss man nicht ständig neue Flächen versiegeln – gerade im Großraum Stuttgart. Für den Mission E haben wir bestehende Fabriken zurückgebaut und nutzen die Flächen besser. Porsche setzt damit Maßstäbe in Sachen Nachhaltigkeit. Die Deutsche Gesellschaft für nachhaltiges Bauen (DGNB) hat an uns erstmals ein Platin-Zertifikat verliehen, für die Erweiterung des Werks 4, auf dessen rund 29 Hektar großen Areal sich unter anderem das neue Motorenwerk befindet. Schließlich bin ich der festen Überzeugung, dass der Mission E wieder ein Meilenstein wird, ähnlich dem 911 von 1963. Eine richtige Porsche-Ikone.

Wie gehen die Bauarbeiten denn voran?

Ich bin jetzt 30 Jahre im Automobil-Geschäft, aber so etwas habe auch ich noch nie gemacht: eine komplette Restrukturierung bei laufendem Betrieb. Oder, um genauer zu sein: bei maximaler Produktionsauslastung. Das ist eine logistische Meisterleistung, was die Baufirmen und unsere Planer hier täglich vollbringen. Zusätzlich haben wir in Zuffenhausen noch unsere Nachbarn und Anwohner, die wir gut informiert halten. Wir nehmen ihre Sorgen ernst und haben unter anderem eine Hotline eingerichtet. Wenn zum Beispiel nachts wegen Wind ein Kran quietscht oder die Straße aufgrund der Abbrucharbeiten sehr stark verschmutzt ist, kümmern wir uns darum. Das sind natürlich erhöhte Aufwendungen, aber nur dank der hervorragenden Zusammenarbeit mit der Stadt, dem Regierungspräsidium, dem Land und eben auch den Anwohnern haben wir es bis jetzt geschafft, ohne größere Reklamationen dieses gigantische Bauvorhaben auf Zielkurs hochzuziehen.

Wie weit ist die Testfertigung des Mission E gediehen?

Mit den ersten Prototypen haben wir bereits viel Freude. An der Pilotfertigung sind auch schon Leute aus der Produktion dabei, um frühzeitig Erfahrungen zu sammeln. Die technische Entwicklung und unsere Planer treiben gemeinsam die Baubarkeit dieses Fahrzeugs voran. Das klappt schon alles ziemlich gut.

Sie wissen noch gar nicht jeden einzelnen Takt, den Sie zur Produktion des Mission E benötigen?

Wir haben natürlich ein grobes Raster, wie wir das alles machen. Aber die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bringen ihre persönlichen Ideen mit ein und so optimieren wir ständig. Diese ständige Verbesserung in allen Phasen wird auch noch bis zum Produktionsstart weitergehen.

Wann ziehen Sie mit der Produktion des Mission E endgültig um?

Die ersten Anlagen ziehen schon Anfang 2018 in die Gebäude. Endgültig liegt unser Blick aber auf dem Jahr 2019.

Warum machen Sie den Mission E als Einzelprojekt und betten ihn nicht in eine Flex-Fertigung ein, die alle Motorenarten erlaubt?

Die Fertigung im Modellmix und mit einem hohen Individualisierungsgrad ist unsere Kernkompetenz. Würden wir morgen für Leipzig so ein Elektrofahrzeug entscheiden, dann würden wir es in die bestehende Linie integrieren. Wir halten das für den besten Weg. Unsere Sportwagen-Produktion Zuffenhausen ist aber – so wie ich das vorher geschildert habe – heute voll ausgelastet. Ein weiteres Aufbohren war unmöglich. Also haben wir eine zweite Linie entschieden. Das hat aber nichts damit zu tun, dass wir das grundsätzlich solitär machen möchten.

Rendering Produktion, 2018, Porsche AG

Albrecht Reimold: „Mit dem Projekt Zuffenhausen 2020 sind wir voll im Plan“

Künftig gibt es auch noch eine Premium-Plattform Elektromobilität, kurz PPE, die Sie zusammen mit Audi entwickeln. Das begrenzt doch die Fertigung des Mission E zeitlich. Wenn die PPE-Fahrzeuge kommen, ist doch die Mission-E-Produktion überflüssig, oder nicht?

Mit der PPE-Architektur planen wir, heute bestehende Baureihen in das Zeitalter der E-Mobilität zu überführen. Gemeinsam mit Audi nehmen wir so die Verantwortung für die Fahrzeugarchitektur der Zukunft wahr. Der Mission E ist eine eigenständige, separate Baureihe, die unser Produktportfolio ideal ergänzt und erweitert.

Das heißt, vom Mission E ist durchaus eine zweite Generation denkbar?

Wir konzentrieren uns jetzt auf die erste Generation. Die Ikone 911 gibt es mittlerweile in siebter Generation und in zahlreichen Derivaten. Unsere Kreativität hat keine Grenzen und wir denken natürlich auch beim Mission E über Derivate nach. Aber eins nach dem anderen.

Welchen Lifecycle planen Sie für den Mission E?

Normalerweise sind Produktlebenszyklen irgendwo zwischen fünf und sieben Jahren angelegt. Tendenziell erkennen wir aber einen Trend, dass die Zyklen heute eher kürzer werden.

Der Mission E zählt doch bestimmt auch zum Konzern-Produktionsnetzwerk. Könnte aus Zuffenhausen also noch etwas anderes kommen als ein Porsche Mission E?

Sie meinen, dass sich auf unserer Plattform eine andere Marke etwas überlegt? So etwas kann man sich immer vorstellen und es gibt auch genügend Ideen dafür im Konzern. Die Entscheidung dafür liegt nicht bei Porsche.

Stecken Sie auch schon Geld dafür in den Aufbau der Mission-E-Produktion, um diese fürs Netzwerk kompatibel zu machen?

Wir glauben an den Erfolg des Mission E. Das heißt, dass wir sämtliche Register ziehen, um die notwendigen Volumen für unseren Vertrieb aufzubauen. Wir geben gerne unsere Technik weiter, aber im Moment sehe ich keine freie Produktionskapazität.

Bis wann rechnen Sie mit dem ersten Derivat des Mission E?

Wir prüfen natürlich Vorschläge. Aber da müssen Sie noch ein bisschen Geduld haben.

Abgesehen vom Mission E, gibt es eine Konzernstrategie E-Antriebe?

Über die Unternehmenssparte Komponente wird im Konzern daran gearbeitet. Porsche-seitig arbeiten wir eng mit den Kollegen bei Audi zusammen. Der Antrieb war schon immer eine Kernkompetenz von Porsche. Das ist beim E-Antrieb nicht anders. Er ist ein elementares Gen. Deshalb fertigen wir die Aggregate für den ersten rein elektrisch betriebenen Porsche ebenfalls in Zuffenhausen. Da wir kein Volumenhersteller sind, werden die großen Mengen im Konzern diskutiert und entschieden. Hochleistungsantriebe können wir uns aber sehr gut bei Porsche vorstellen.

Und diesen E-Motor können die anderen Marken bei Porsche einkaufen?

Grundsätzlich ja, wie das auch schon beim V8-Motor der Fall ist. Mit einer Einschränkung: Wenn wir die notwendige Produktionskapazität haben.

Wie verpasst man denn einem E-Motor die Porsche-Gene?

Mit Blick auf die technischen Daten lassen sich zahlreiche Punkte ausmachen. Hohe Dauerleistung, Beschleunigungsreserven sowie die Reproduzierbarkeit beim Leistungsabruf sind wesentliche Eigenschaften der Porsche E-Motoren. Effizienz und Performance sind Charakteristiken, die über eine entsprechende Hochleistungselektronik gesteuert werden. Auch elektrifiziert bleibt der Antrieb ein Differenzierungsmerkmal für Porsche.

Und auch die Zellchemie differenziert, oder?

Ganz klar. Wie oft kann ich beispielsweise der Batterie die maximale Leistung abverlangen? Wir haben genügend Ideen, wie wir die Porsche-typischen Gene auch unseren Mission-E-Kunden anbieten können.

Sie planen momentan eine Jahresproduktion des Mission E in Höhe von 20.000 Einheiten, korrekt?

Wir haben die Gewerke zunächst einmal so ausgelegt, dass wir rund 20.000 Einheiten produzieren können. Natürlich haben wir noch ein bisschen Spielraum nach oben eingeplant.

Haben Sie schon erste Bestellungen?

Das Interesse ist groß und wir haben praktisch seit Präsentation der Konzeptstudie auf der IAA 2015 Kundenanfragen. Angenommen haben wir bis heute allerdings noch keine.

Angeblich liegt auf dem ganzen Projekt ein enormer Kostendruck – insbesondere auf dem Projekt E-Antriebe…

In Summe liegt auf allen Projekten ein enormer Kostendruck. Und natürlich haben wir gegenüber einer Planung auf der grünen Wiese wesentlich höhere Aufwendungen. Allein die Räumung der bestehenden Baufelder, also die Abbrucharbeiten, lag in der Größenordnung von mehr als 50 Millionen Euro. Jetzt ziehen wir die neuen Gebäude wieder hoch – und zwar im laufenden Betrieb. Das kostet einfach mehr Geld. Ergo, dieses „mehr Geld“ ist so weit wie möglich zu reduzieren.

Wo liegen Sie in Ihrer Kostenplanung?

Mein Chef ist mit mir zufrieden.

Sie arbeiten auch an der Zero Impact Factory.

Das Thema Nachhaltigkeit war mir schon immer ein ganz besonderes Anliegen. Für mich ist das kein Feigenblatt, sondern eine gesellschaftliche Verpflichtung. Auf mein Betreiben hin nutzen wir seit Januar 2017 an allen Porsche-Standorten regenerativen Naturstrom. In Zuffenhausen werden wir ab 2020 die Wärmeversorgung auf Biogas umstellen und so pro Jahr bis zu 5.000 Tonnen klimaschädliches Kohlendioxid vermeiden. Wir haben schon viele Entscheidungen in die richtige Richtung getroffen, um die CO2-Neutralität unserer Fabriken zu erreichen. Wir sind noch nicht am Ziel, aber auf einem guten Weg.

Ausbau des Porsche-Standorts Zuffenhausen, 2018, Porsche AG

Reimold: „In Zuffenhausen werden wir ab 2020 die Wärmeversorgung auf Biogas umstellen“

Was ist der Unterschied zwischen CO2-neutral und Zero Impact Factory?

Im Mittelpunkt der Zero Impact Factory steht die Produktionsweise „von der Wiege zur Wiege“ (cradle to cradle). Diese kennt keinen Abfall, keinen Verzicht und keine Einschränkungen. Im Gegensatz zu heutigen Materialströmen, die häufig ohne Rücksicht auf Ressourcenerhaltung errichtet werden, sieht das Konzept die Umgestaltung in zyklische Nährstoffkreisläufe vor. Mit dem Ziel, dass einmal geschöpfte Werte für Menschen und Umwelt erhalten bleiben.

Und das ist Ihr Ziel über alle Werke bis 2025?

Das Konzept steht bis 2025. Auf dem Weg dorthin gibt es zahlreiche Zwischenziele, die nicht zu vernachlässigen sind. Künftig müssen wir uns noch früher mit dem Produkt auseinandersetzen: Welche Materialien werden verwendet? Wie führen wir sie wieder dem Kreislauf zu? Alles, was wir an Energie und an Materialien einbringen, muss zum Schluss wieder in einem Kreislauf erhalten werden.

Welches Porsche-Werk wird die erste Zero Impact Factory?

Daran arbeiten wir gerade. Welche Produktion der Vorreiter wird, ist noch offen.

Was ist die Strategie von Porsche zum Thema modulare Produktion oder autonome Produktion?

Wir bleiben bei einer Linienkonzeption und damit bei einem stringenten Fluss, um unsere Fahrzeuge herzustellen. Abweichungen von diesem Prinzip kann ich mir bei Individualisierungen vorstellen. Beim Mission E haben wir uns für eine sogenannte Flexi-Line entschieden: Das heißt, dass wir die Linie nicht mehr in einer mechanischen, starren Linie abbilden, sondern wir setzen fahrerlose Transportsysteme (FTS) ein, auf denen die Karosserie in einer festgelegten Reihenfolge diverse Stationen abfahren. Denn wenn die Karossen nur permanent hin und her und von Station zu Station fahren, wird der Weg in Summe nur länger. Clever organisiert und entlang einer virtuellen Linie lässt sich das Material hingegen häppchengerecht und hocheffizient zusteuern.

Sie schaffen quasi das Fließband ab, indem die Dinger selbst fahren?

und obendrein flexibel sind. Wir könnten die Taktlängen verändern. Oder bei sensiblen Tätigkeiten die FTS anhalten und danach schneller an die darauffolgende Station fahren lassen, um im Takt zu bleiben. Mit der Flexi-Line sind wir maximal variabel, das entspricht unserer Philosophie.

Wird die Automobilproduktion damit billiger und/oder schneller?

Zunächst einmal müssen wir keine Gruben betonieren und brauchen lediglich eine ebene Fläche. Somit sind die Zwischenebenen der Gebäude auch nicht mehr so dick. Auf der anderen Seite mussten wir Überzeugungsarbeit bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern leisten. Auf einer Schubplatte können sie mitfahren, beim FTS müssen sie mitlaufen. In einem Testbetrieb haben wir alle Vor- und Nachteile gegenübergestellt und letztlich von unserer Arbeitnehmerseite ein klares Commitment für die hoch moderne Flexi-Line erhalten.

Wie viel sparen Sie also gegenüber der Fließband-Fertigung?

Die Investitionseinsparungen gegenüber einem herkömmlichen Schubplattenband betragen zirka drei Millionen Euro. Prozentual gesehen entspricht das rund 40 Prozent. Die zugrundeliegende Idee geht aber weit über die reine Zahl hinaus. Eine derart geplante Montagelinie bietet wesentlich mehr Möglichkeiten in Bezug auf das Thema Anpassung und Flexibilität.

Sind Sie ein Fan oder Kritiker der Automatisierung?

Ich bin ein Fan von Effizienz. Es ist keinem geholfen, wenn wir bei den Werkern Geld einsparen und dieses anschließend im Instandhaltungsbereich für Programmierer ausgeben. Etwas muss in Summe effizienter sein. Show-Anlagen gibt es viele, zum Beispiel der automatisierte Heckklappeneinbau. Die Technik ist aber heute noch nicht so weit, dass sie so feinfühlig ist wie der Mensch. Daher gilt auch in Zukunft: Dass bei Porsche der Mensch im Mittelpunkt steht.

Reizt es Sie nicht, noch eine Produktion in den USA oder in China aufzuziehen?

Es gibt viele Themen, die mich persönlich noch reizen. Ich will jetzt aber keine Spekulationen aufheizen.

Noch nicht…

Ein Ohr ist immer am Puls der Zeit. Wir beobachten international, wie sich die Märkte und gesetzliche Rahmenbedingungen verändern. Eine Fertigung in den USA und China ist für Porsche derzeit aber kein Thema.

Info

Das Interview ist erstmalig erschienen im Fachmagazin AUTOMOBIL PRODUKTION

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Quelle: Porsche Newsroom

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